Nachdem ich meine Festplatte mal wieder etwas entleert habe, fiel mir ein persönliches Fundstück in die Hände. Ich habe vor einiger Zeit mal einen Text zu einem Vorfall im Wrestling-Business verfasst und ich dachte mir, dass es vielleicht einige – wenn auch wenige – angesicht des Sommerlochs interessieren könnte. Was genau alles hinter dem Show-Catchen steckt und vielleicht werden auch manche über typische Klischees aufgeklärt.
Würde mich über ernst gemeinte Meinungen freuen. Und natürlich über lesewütige Interessenten. Viel Spaß beim Lesen.
Bret Hart – The Montreal Screwjob
Im Wrestling ist alles abgesprochen und alles Fake? Das ist in der heutigen Zeit sicherlich jedem bekannt, bis dann etwas schief geht. In diesem Fall war es aber kein Unfall, der die Karriere des Wrestling-Superstars Bret ‚The Hitman’ Hart beendete, sondern ein Betrug vor Live-Publikum. Wenn die Realität die Scheinwelt des professionellen Wrestlings einholt.
Um die Ereignisse besser verstehen zu können, muss man sich in die Zeit der 90er Jahre zurückversetzen. Genauer gesagt in die Jahre 1996 und 1997, wo das Wrestling in den USA immer noch sehr großen Anlauf fand und mit den hohen Einschaltquoten selbst der NFL gefährlich nahe kam. Das professionelle Wrestling war so populär wie noch nie und das verdankte man hauptsächlich einem Mann: Vincent Kennedy McMahon, Inhaber der größten Wrestlingliga namens ‚WWF’, World Wrestling Federation (heute ‚WWE’, World Wrestling Entertainment, aufgrund einer verlorenen Klage des World Wildlife Fund). Im ständigen Kampf um die Quoten mit der Konkurrenzliga WCW (World Championchip Wrestling) erfand Vince die Machtkämpfe im Ring neu und erschuf weltbekannte Superstars wie Hulk Hogan, The Rock, Stone Cold Steve Austin und Bret Hart. Mr. McMahon verdient nicht umsonst Millionen im Jahr, denn er ist ein skrupelloser Geschäftsmann, der abends bei den Shows den netten Ring-Announcer und Kommentator spielt. Die Fassade schien perfekt und die Fans ahnten nicht, dass sie bald den wahren Geschäftsmann in ihn sehen würden.
20. Oktober 1996
Um den absoluten Superstar Bret Hart, aus der legendären Hart-Familie, nicht an die Konkurrenz zu verlieren, bot ihm Vince McMahon an diesem Abend einen einmaligen 20-Jahres-Vertrag an. Dieser erlaubt es Hart nach drei Jahren aktiver Teilnahme bei den Shows die restlichen 17 Jahre Backstage zu verbringen und dabei jedes Jahr satte 1,5 Millionen Dollar zu kassieren. Nach langer Überlegung nahm er dieses Angebot dann an und erhoffte sich somit eine sichere Zukunft. Allerdings gab es schon ein halbes Jahr später die ersten Probleme.
Finanzielle Probleme
Kaum war der perfekte Deal abgeschlossen, gab es Probleme seitens Vince McMahon, bzw. der WWF. Um genauer zu sein: Finanzielle Probleme. Die Liga durchlebt Ende 1997 eine kleine Flaute, was die klingelnden Kassen betraf. Dies erklärte man auch dem benachteiligten Star, der sich gerne neue Änderung seines Vertrags anhörte. So schlug Vince ihm vor, dass er ihm sein wöchentliches Gehalt (von ca. 30.000 Dollar) um die hälfte kürzt und das restliche Geld später nachbezahlt. Natürlich lehnte Bret diesen Vorschlag ab und McMahon saß in der Klemme. Er würde ihn und die Liga in den Ruin reißen, also musste er handeln. So überredete er Hart schließlich zur Konkurrenz, der WCW, zu wechseln. Auf beiden Seiten hatte man Angst um die Zukunft, sodass sich Bret überreden ließ und schließlich Eric Bischoff (Gründer und Inhaber von WCW) kontaktierte. Dieser war sichtlich erfreut über die Vorgehensweise seines Konkurrenten und bot ihm nach langen Wochen der Verhandlungen den wohl besten Vertrag aller Zeiten an. So soll der kanadische Superstar pro Jahr rund 3 Millionen Dollar verdienen und völlige Freiheit über seinen verkörperten Charakter haben. So durchlebte Bret ein Wechselbad der Gefühle. Soll er bei seiner geliebten WWF bleiben und seine gewonnen Freunden helfen oder zur Konkurrenz wechseln? Letzten Endes nahm er das Angebot vom 01. November 1997 an und bat um Stillschweigen, bis er die WWF verlassen würde.
Es geht um Vertrauen…
Bret Harts erster Arbeitstag bei der WCW sollte laut Vertrag am 01. Dezember 1997 sein. Bis dahin waren es noch gute 30 Tage und man wollte den Charakter Bret Hart, der zu der Zeit die Gesinnung Heel (also Böse) hatte, mit einem positiven Eindruck verabschieden. Der beste Zeitpunkt dafür wäre die Großveranstaltung namens ‚Survivor Series’ am 09. November in Montreal (Quebec, Kanada – Brets Heimat). Da schon bereits eine Fehde mit dem Wrestlingkollegen Shawn Michaels im Gange war, sollte eben dieser an dem besagten Abend als Gegner herhalten. Es würde um den World Title gehen, den Bret zu dieser Zeit errungen hatte und um die Hüften tragen durfte. Aber auch hier gab es Probleme mit der Planung des Kampfes.
Michaels und Hart mochten sich auf persönlicher Ebene überhaupt nicht. Sie hielten stets Abstand und wollten jeden Kontakt – auch im Ring – vermeiden. Doch nun standen sie sich gegenüber und man musste einen Weg finden das Match zu beenden. Shawn Michaels, der ‚Heart Break Kid’, war der angehende Superstar und hatte so seine Allüren. Er war sehr arrogant und Backstage deswegen nicht sehr beliebt. Er wollte sich für niemanden hinlegen und jedes Match gewinnen, was dann auch meistens der Fall war – dank seinem guten Kontakt zum Chef höchst persönlich. Hart vertraute seinem Gegner überhaupt nicht, dabei geht es im Wrestling um gegenseitiges Vertrauen, „denn man vertraut einem anderen Menschen seine Gesundheit, seinen Körper, an“, so Hart später in einem Interview. Das fiel ihm diesmal sehr schwer, vor allem, weil Shawn mehr als unprofessionell erschien. In Interviews wurde dieser nämlich des Öfteren persönlich, beleidigte die komplette Hart Familie und ging immer unter die Gürtellinie. Dennoch mussten die Fans unterhalten und ein Ende für Brets Karriere gefunden werden.
Geplant war das Match in einem ‚No Contest’ enden zu lassen, das heißt niemand der beiden gewinnt und der Titel bleibt bei Hart. Dieser würde dann bei der kommenden Montags-Show namens ‚RAW’ seinen Titel freiwillig in McMahon´s Hände legen, eine Abschiedsrede halten und die Liga verlassen. Alle Parteien waren mit dieser Lösung einverstanden und der kommende Main Event konnte kommen. Als Referee (Ringrichter) wollte Bret unbedingt seinen langjährigen Freund Earl Hebner haben. Sie verstanden sich schon immer sehr gut und somit hatte er wenigstens eine Person in seiner Nähe, in die er vertraute. Und während die Vorbereitungen auf das Match liefen, sickerte die Vertragsunterzeichnung bei der WCW im Internet so langsam durch. Die Fans wussten dennoch nicht 100%ig, ob an dem ‚Gerücht’ etwas dran war und sehnten sich nach dem Match. Dieses wurde derartig gehyped, dass es als eines der meisterwartetsten Aufeinandertreffen der Geschichte galt. Natürlich ganz zur Freude von McMahon, der sich über seine ausverkauften Hallen freute.
09. November 1997 – Der Screwjob
Als ‚Screwjob’ bezeichnet man im Wrestling eine nicht abgesprochene Handlung im Matchverlauf. In diesem Fall war es noch eine Steigerung, denn es war vielmehr ein Betrug, als ein unabsichtliches Ende eines Kampfes. So sehr die rund 20.000 Fans in der Halle diesen Kampf erwarteten, wussten die meisten vom Weggang Bret Harts zur Konkurrenz bescheid und buhten ihn teils aus. Vielen, aufmerksamen Fans fielen sofort einige veränderte Dinge am Ring auf. So war Vince McMahon weder am Kommentatoren-Pult, noch im Ring zu sehen. Zudem gab es zahlreiche Security-Leute, die sich um den Ring versammelten – mehr als sonst.
Das Match war, wie erwartet, sehr professionell und unterhaltsam, bis es nach ca. 15 Minuten zu der entscheidenden Szene kam. Wie geplant wurde Referee Hebner ‚ausgeknockt’, während Shawn Michaels seinen Gegner in einen Aufgabe-Griff nahm (Bret Harts eigenen Finisher; dem ‚SharpShooter’). Der Referee sollte noch eine Weile auf dem Boden liegen und Hart sich selbst aus dem Griff befreien. Doch mit dem Erscheinen von Vince McMahon am Ring, stand auch Hebner wieder auf und rief laut „Ring the Bell!“. Vince wiederholte dies und noch bevor Bret den Finisher auskontern konnte, war das Match vorbei. Sofort ertönte die Einmarschmusik von Michaels und er wurde auch ebenso schnell als Sieger und neuer World Champion erklärt. Beide waren verdutzt über diese Situation und wussten nicht, was sie sagen sollten, während Hebner aus dem Ring in den Backstage-Bereich rannte. Denn dort stand für ihn schon ein Wagen mit laufendem Motor bereit, der ihn nach Hause fahren sollte. Bret Hart bekam von alle dem nichts mit, wusste aber, dass er soeben vor seinem heimatlichen Publikum um den Titel betrogen wurde. Er stand auf und spuckte Vince erst mal ins Gesicht, während dieser so langsam das Weite suchte. Michaels verließ nun auch den Ring und ließ sich als neuer Champion feiern, wo zur gleichen Zeit Bret Hart mit seinen Verwandten im Ring schockiert in die Fanmassen starrten. Noch in diesem Moment kündigte er an, dass er ab jetzt in der WCW ist, was von den Fans überraschenderweise bejubelt wurde.
Die Folgen
Vince McMahon, der soeben Live vor Millionen Zuschauern sein wahres Gesicht gezeigt hatte, rannte Backstage an einigen, ebenso schockierten Wrestlern vorbei und schließ sich in seinem Büro ein. Erst auf bitten von dem Undertaker, machte er sich auf den Weg zu Brets Kabine, um sich zu entschuldigen. Dieser hatte gerade geduscht und zog sich ruhig an, hörte den verzweifelten Entschuldigungsversuchen zu, warnte McMahon aber drei mal seine Kabine zu verlassen. Als er darauf immer noch nicht reagierte, sollen die Fäuste geflogen sein. Bret soll so hart zugeschlagen haben, dass sein ‚Opfer’ zu Boden fiel und noch Tage später eine Schwellung der linken Gesichtshälfte hatte. Seither herrschte Funkstille und Bret sah sich noch mal das aufgenommene Match an. Der Betrug an sich war es nicht, der ihn so hart traf, sondern vielmehr, dass alle es wussten, nur er nicht - und vor allem, dass er von seinem langjährigen, besten Freund Earl Hebner hintergangen wurde.
Shawn Michaels dementierte jahrelang, dass er mit der ganzen Sache nichts zu tun gehabt hätte, doch vor wenigen Jahren hat er endlich die Wahrheit gesagt und die Mitwirkung am Betrug zugegeben. War man Live dabei – ob nun in der Halle oder am Fernsehen – hatte man wirklich den Eindruck, dass alle eingeweiht wurden. Wozu standen sonst so viele Security-Leute um den Ring? Wieso spielte man sofort, nachdem der Glockenschlag ertönte, die Musik von Michaels? Und wieso wurde er auch sofort als Sieger – ohne jegliches Zögern – verkündet? Dazu kommt dann noch der laufende Wagen vom Referee. All das war bis ins letzte Detail geplant gewesen – wieso auch immer. Vince McMahon sah wohl eine Gefahr darin, dass Bret mit seinem Gürtel zur Konkurrenz wechselte.
Das Ende von Bret ‚The Hitman’ Hart
Auch wenn Bret Hart noch immer ein Superstar im Wrestling war, sein Schicksal wurde an diesem Abend bereits besiegelt. Denn in der WCW wurde er nicht als Superstar á la Hulk Hogan behandelt, sondern vielmehr als mittelmäßiger Wrestler abgestuft. Das endgültige Ende rief aber ein Kampf gegen den WCW-Star Bill Goldberg hervor. Durch einen missglückten Side-Kick, erlitt Hart eine schwere Gehirnerschütterung und musste diese auskurieren. Das war der Vorbote für einen schweren Schlaganfall im Juni 2002, der das Ende seiner Karriere endgültig einläutete. Er hatte seinen Körper nicht mehr im Griff und musste alle Bewegungen und das Sprechen neu lernen. Heute ist er wieder genesen, dennoch kann es jeder Zeit zu einem Rückschlag kommen.
Im August diesen Jahres (2005) trafen sich Bret und Vince das erste Mal nach langer Zeit wieder und versöhnten sich, redeten über eine neue DVD, die bald erscheinen soll. Dennoch weiss man nicht, ob Bret diesem Mann jemals wieder vertrauen kann und ob er jemals wieder in den Ring zurückkehren wird.
Diese Geschichte zeigt, dass selbst in einem Profisport nicht alles so tadellos läuft wie es scheint. Die Scheinwelt, die das professionelle Wrestling letztlich repräsentiert, wurde an dem Abend des 09. November 1997 von der Realität eingeholt. Nie gab es einen ähnlichen Betrug, der Millionen Menschen bewegte und mitriss. Natürlich ist beim Wrestling alles nur Show, aber es zeigt auch die riesige Marketing-Maschine hinter den Kulissen. Es geht nicht mehr darum, dass man mit Leistung einen Titel erreicht, sondern dass die Fans bestimmen wer geht und wer bleibt. Wer gewinnt und wer verliert. Das ist bis heute so. Deswegen kann man sagen, dass mit diesem Abend der eigentliche Sinn des US-Wrestlings verloren gegangen ist.
Der kommerzielle Gewinn steht über der Unterhaltung der Massen. Geld regiert eben die Welt.
PS:
Bitte verkneift euch die üblichen Postings, wie „Wrestling is eh nur Show und die aufgepumpten, schwulen Typen kann man nicht als Sportler bezeichnen“. Ich will vielmehr wissen, ob ihr den Text gelesen habt und ob euch dieses Thema, bzw. diese wahre Story, interessiert hat.
Je nach Resonanz hätte ich nämlich noch eine Story auf Lager