Führt innere Stärke zur Abstumpfung?

So nun bin ich schon eine ganze Weile im Stammtischforum dabei und da ist es imo an der Zeit auch mal ein Thema zu eröffnen. :slight_smile:
Und zwar gibt es ein Thema was mich schon seit einiger Zeit reichlich beschäftigt.
Ich denke einige Leute wissen, dass das Leben nicht nur aus Friede Freude Eierkuchen besteht, sondern teilweise auch richtig hart sein kann. Wer diverse Schicksalsschläge hinter sich hat, wird sicherlich verstehen worauf ich hinaus will. Ich denke jedoch, dass diese Schicksalsschläge (auch wenns blöde klingt) auch etwas positives an sich haben. Denn eben genau diese Schicksalsschläge machen einem Menschen erst bewusst, wie sehr man die guten Seiten des Lebens schätzen sollte und auch muss.
Ein weiterer Aspekt der schlechten Zeiten ist imo, dass man nur durch sie wirklich stark werden kann. Falls jemand nun nicht versteht wie ich das meine, dann will ich das gerne erklären. > Das wichtigste im Leben eines Menschen ist es imo doch seine eigenen Erfahrungen zu machen, denn diese bestimmen das Handeln eines Menschen in der Zukunft. Nun, wer auch schlechte Zeiten hinter sich hat, weiß wie er handeln muss um sich aus seiner misslichen Lage zu befreien. Wie ist es jedoch bei Menschen deren ganzes Leben ein Sonnenschein war. Haben diese wirklich die innere Stärke sich mit schweren Niederlagen auseinander zu setzen oder fallen sie in ein tiefes Loch?

Nun aber zu der Frage die mich momentan sehr beschäftigt: Besteht nicht irgendwann die Gefahr, dass man innerlich bzw gefühlsmäßig „verroht“ wenn man sich in regelmäßigen Abständen aus irgendwelchen misslichen Lagen befreien muss oder denkt ihr dass menschliche Emotionen wie Traurigkeit oder ähnliches nicht unter sowas leiden??

PS: Habe einfach mal geschrieben was mir so durch den Kopf ging. Falls das Thema Mist sein sollte, löscht es einfach.

Vorweg: Wieso sollte das Thema Mist sein? Ist wirklich interessant und auf einem angemessen Stammtisch-Niveau :wink:

Zum Thema:
Also die Frage ist jetzt, ob man durch etliche Schicksalsschläge gefühlsmäßig abstumpft?
Dazu kann ich nicht allzuviel sagen, denn bisher wurde ich glücklicherweise durch schwere Schicksalsschläge verschohnt. Damit meine ich den Tod eines Nahestehenden.
Aber es gibt natürlich auch andere, gefühlsmäßige Schläge ins Gesicht, wie die Liebe oder die verratene Freundschaft. Da habe ich immerhin was mehr erlebt.

Ich glaube schon, dass man irgendwie innerlich abstumpft, obwohl das sicherlich bei jedem unterschiedlich ist. Wenn man beispielsweise zu etlichen Vorstellungsgesprächen geht und immer wieder abgewiesen wird, stumpft es ab. Man denkt weniger drüber nach, wenn man sich einmal damit abgefunden hat. Klingt zwar nicht emotional, aber es hat auch was mit den Gefühlen zu tun. Abweisung, etc.
Auch bei der Liebe. Wenn man dort öfter enttäuscht wurde, vertraut man nicht jedem neuen „Liebling“ über dem Weg. Ebenso wie bei Freunden, die einen verraten und niedermachen.

Oder auch das Mobben, was erhebliche psychische Auswirkungen haben kann. Sowas härtet einen ab, macht einen aber nicht wirklich stärker.
Ich kann jetzt nicht wirklich über Todesfälle schreiben - tut mir leid. Obwohl das sicher ein besseres Beispiel wäre. Aber wie gesagt: Da habe ich keine großen Erfahrungen.
Soweit, wie ich denke. Falls mir nochwas einfällt (was um diese Uhrzeit eher unwahrscheinlich ist) werde ich noch was beifügen.

Ein sehr interessantes und wichtiges Thema.
Aufgrund meines Alters habe ich natürlich schon einige Beerdigungen erlebt.(Das Wort Erleben bekommt hier einen ganz neuen Sinn…)
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen,daß es auf keinen Fall abstumpft,aber es führt einem zu Tage,wie vergänglich doch alles ist.
Alles was vor 20 Jahren noch fest verankert war und als unverrückbar galt,ist heute nichts mehr wert.
Man wird reifer und man bemerkt die Verhaltensweisen,die man früher so an den Erwachsenen gehasst hat,an sich selbst.

Ich für meinen Teil mache die visuelle Reizüberflutung der Menschen,durch die Medien,für die allgemeine Abstumpfung verantwortlich.
Dauerberieslung von Produkten,die mir erzählen ,daß ich selbige unbedingt brauche,dazwischen lügende Politiker,dämliche Serien in Endlosschleife und der tägliche Bombenanschlag in Bagdad.(Nimmt das einer noch bewusst war?)
Es wird nur noch konsumiert,aber nicht mehr erlebt.
Alles war schon da(aber nur im TV),kenne ich schon,langweilig,gähn usw.
Nun,die Psychologen haben Arbeit ohne Ende,um die dekadenten Wohlstandskrankheiten in den Griff zu bekommen.

In den Großstädten ist alles hektisch und betriebsam.Es wird überall an Zeit gespart.Die Effiziens ist die höchste Würde.Man beeilt sich und hetzt nach Hause,nur
um sich dann über die Freizeit zu langweilen und um sich wieder berieseln zu lassen.
Das sind die anderen Gründe was zur Abstumpfung führt.

Was ist eigentlich innere Stärke?
Erfahrung um sich in den verschiedenen Situationen des Lebens,richtig zu verhalten.
Aus meiner Erfahrung raus,sind die meisten Leute die einen auf innere Stärke machen,im Grunde nur „arme Würstchen“
Es wird eine Fasade aufgesetzt,die wenn es mal ins Eingemachte geht,zusammenstürzt wie ein Kartenhaus.
Wirklich weise Menschen,mit innerer Stärke,sind nämlich sehr selten.
Auf diversen Motivationsveranstaltungen wird dann der lernwilligen Schafherde eingeredet:„Du kannst alles,wenn du willst“.lol
Ich sage nur Schuster bleib bei deinen Leisten und verweise auf die Geschichte mit den Psychologen.
Es ist auf jedenfall hilfreicher,sich mal demaskieren zu lassen und andere Menschen an seinem Inneren teilhaben zu lassen.

Man sollte das Gespräch miteinander suchen.Mit dem Nachbarn abends vorm Haus sitzen(mit einem Bierchen :slight_smile: ) und seine Sicht der Dinge erfahren.Die kleinen oder großen Probleme einem Menschen anvertrauen und seine Meinung einholen.(Danach sieht die Welt meistens schon ganz anderst aus).
Miteinander Reden und das Leben----->erleben,daß ist mein persönlciher Sinn des Lebens.
Abstumpfung gehört aber auch zu einem Schutzmechanismus des Körpers,weil wir sonst wahrscheinlich irgendwann alle verzweiflen würden.

Meine Devise lautet.Weniger Hektik und redet miteinander(vorallem in der Familie).

Wie sagte schon Konfuzius:?„Nichts ist so dringend,daß es nicht noch einen Tag Zeit hätte“

Da würde ich „Abstumpfung“ erstmal definieren. Ein innerer Rückzug könnte z.b. auf andere Menschen auch „abgestumpft“ wirken, ist es in Wirklichkeit aber gar nicht.

Definiert man „Abstumpfung“ als die zum Teil verloren gegangene Fähigkeit Emotionen zu empfinden, dann denke ich nicht, dass dies in den meisten Fällen von sog. „Schicksalschlägen“ eintritt. Da greifen eher diese Schutzmechanismen wie Verdrängung, innerer Rückzug etc. pp. man ist aber prinzipiell immer noch in der Lage Emotion zu empfinden. Sowieso wäre eine emotionale Abstumpfung wohl das schlechtes was einem Menschen passieren kann, da Emotionen ganz wesentlich sind für unsere soziale Interaktion, für das überleben in der Gesellschaft. Jemand der keine Emotionen mehr empfinden kann (vielleicht sogar einigermaßen bewußt nicht möchte) würde also gerade den nächsten Schicksalsschlag erleiden -> Ausschluß aus der Gesellschaft, Einsamkeit.

Ohne jetzt wieder den Depressiven raushängen lassen zu wollen: :smiley:

Ich würde sagen, dass ich in den letzten 8 Jahren fast durchgehend schlimmen Erfahrungen ausgesetzt war. Es ist zwar niemand gestorben und ich wurde auch kein Opfer von Kriminalität, was ich durchgemacht habe ist eher subtiler Natur.

Während meiner regulären Schulzeit wurde ich systematisch von meinem „Freundeskreis“ ausgegrenzt. Die haben groß Party und solche Sachen gemacht und der Einzige der nicht eingeladen wurde war ich. Es wurde sogar versucht vor mir geheim zu halten. Dann kam die Zeit im Zivildienst in Norddeutschlands größter Irrenanstallt. Dort hatte ich täglichen Umgang mit Verrückten, Totkranken und Toten. Vielleicht nicht gerade etwas das man als schlimme Erfahrung werten kann, aber wer wird schon gerne in eine Situation mit Sträflingen und Toten verwickelt?

Als ich mit dem Zivi fertig war, haben mir meine besten Freund so ziemlich alle zeitgleich die Freundschaft gekündigt. Ich bin in eine Lehre gekommen, mit der ich überhaupt nichts anfangen konnte und hab in den 4 Monaten, bevor ich abgebrochen habe, bestimmt 20 kg zugenommen. Dann war ich arbeitslos und habe selbst bei den popeligstens Jobs Absagen bekommen. Erst über einen dicken Bonzen den ich kenne, hab ich dann ein Praktikum zugespielt bekommen und konnte mich dadurch wieder fangen.

Letztendlich würde ich sagen (grob gefasst), es gibt zwei Möglichkeiten, wie man auf eine schlimme Erfahrung reagiert. Beispiel: Ein Kind wird während seiner Kindheit von den Eltern verprügelt. Nun ist das Kind erwachsen und hat selber Kinder. Möglichkeit 1) Es ist abgestumpft und verprügelt selber seine Kinder. Möglichkeit 2) Es hat eine tiefe Abneigung gegen alle formen von Gewalt entwickelt und schätzt den Frieden und ist emotional offen.

Okay, das ist jetzt sicherlich ein sehr krasses Beispiel aber ich glaube man kann entweder einen starken Charakter aus schlimmen Erfahrungen gewinnen oder den Kopf zumachen und, wie es hier so schön heißt, emotional abstumpfen.

Ist natürlich nur eine Theorie von mir. Meine momentane Situation sieht dagegen irgendwie komisch aus. Ich muss mich wirklich anstrengen um eine kleine Freundlichkeit als solche zu erkennen. Während ich jede kleinste Kränkung, sei sie auch nicht als solche gemeint gewesen, sofort erkenne und es auf mich beziehe.