E.T. the Extra-Terrestrial (Atari 2600)
Ja genau, das E.T.: eines der schlechtesten Videospiele aller Zeiten; es wurde für den Video Game Crash von 1983 verantwortlich gemacht und millionenfach in einer Wüste verscharrt. Und, ist es wirklich so schlecht?
Kurze Antwort: Nein.
Zunächst einmal, wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, wie das Atari 2600 funktioniert, dann ist keines der dafür erschienenen Spiele mehr „schlecht“. Dass irgendjemand auch nur irgendetwas auf dem Teil programmieren konnte, grenzt an ein Wunder. Es stehen 4 KB ROM zur Verfügung und 128 Byte (!) RAM. Zum Steuern hat man einen Stick und eine Taste und das war’s. Außerdem gibt’s im Grunde nur sechs Grafikelemente: Den Hintergrund, zwei „Spielfiguren“, zwei „Geschosse“ und einen „Ball“. Das alles sind aber keine typischen Sprites. Die Funktionsweise ist unfassbar kompliziert (Stichwort „Race the Beam“): Da es keinen Video-RAM gibt, werden die Grafikelemente Zeile für Zeile genau dann geladen, wenn die entsprechende Bildzeile am Fernseher aufgebaut wird. Man muss genau berechnen, wie viele Pixel vom Elektrodenstrahl in der Zeit eingeblendet werden, in der bestimmte Rechenoperationen durchgeführt werden. Um ein Objekt an einem bestimmten Ort anzuzeigen, definiert man nicht einfach dessen Koordinaten (so einen Luxus gibt es dort nicht), sondern muss die entsprechenden Rechenoperationen genau dann durchführen, wenn der Elektrodenstrahl genau an der richtigen Stelle angelangt ist. Wenn man so will, muss die CPU im Duell mit dem Elektrodenstrahl die Grafik erzeugen, und wenn sie mal zwischendurch Zeit hat, kann sie sich noch um das Berechnen der Spiellogik kümmern. Das NES wirkt dagegen regelrecht wie ein Supercomputer. (Man entschuldige die technischen Unzulänglichkeiten bei der Erklärung!)
Zum Spiel selber: Ja, wenn man ohne Anleitung reinstolpert, hat man gar keine Ahnung, was man machen soll und ist einfach nur frustriert (übrigens hat nicht einmal der deutsche Wikipedia-Artikel das Spielkonzept verstanden). Das ist so ähnlich aber eigentlich bei allen Atari-2600-Spielen der Fall, die nicht gerade Space Invaders oder Pac-Man sind. Man muss sich etwas damit beschäftigen, wie das Spiel überhaupt funktioniert, dann macht es sogar ziemlich Spaß. Es ist nur sehr fummelig, wenn man in die Löcher hineinfällt und wieder rauskommen möchte, aber mit etwas Gewöhnung geht das irgendwann. Und bei mir war standardmäßig der höchste Schwierigkeitsgrad eingestellt, der mit den umherlaufenden Gegnern, die E.T. alle gesammelten Items abknöpfen und ihn wegzerren, extremst schwer ist. Und, zugegeben, ich habe noch immer nicht verstanden, wie genau die sechs Bildschirme zusammenhängen, denn man kommt nicht immer an der Seite raus, in die man geht …
Ein Meisterwerk ist E.T. nicht unbedingt, aber im Gesamt der Atari-2600-Spiele würde ich es im oberen Mittelfeld anordnen. Genau genommen bietet es einige sehr fortschrittliche Funktionen. Das Spielfeld mit den sechs Bildschirmen unterteilt in 16 „Aktionsfelder“ ist prozedural generiert; es gibt ein Itemsystem; es gibt kontextsensitive Aktionen; es gibt ein cleveres System für Bonuspunkte mit Risk-Reward-Faktor; sogar kleine Details wie dass die Gegner umso lautere Geräusche machen, je näher sie an E.T. sind, dürften auf dem Atari 2600 echt was Besondere sein. Und das alles ist ja bekanntlich in nur fünf Wochen programmiert worden.
Das Spiel hat sich seinen schlechten Ruf meiner Meinung nach überhaupt nicht verdient. Atari hat halt bei der Produktion den Bedarf total überschätzt, und als eher Action-Adventure-mäßiges Spiel, das man ohne Blick in die Anleitung nicht verstehen kann, war es für die damalige Spielewelt nicht wirklich geeignet. Ich bin jedenfalls sehr froh, es auf Originalhardware spielen zu können!